Regierungspräsidium Karlsruhe
Frau S. Schumann – Herrn A. Kapp – Frau G. Steinbach
Verwaltung und Gemeindevertreter Ilvesheim
Herrn BM Metz – Herrn Thole
Damen und Herren Gemeinderätinnen und Gemeinderäte Ilvesheim
Pressevertreter des „Mannheimer Morgen“
31.01.2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bürgerinitiative „Keine Radschnellweg am Neckarkanal in Ilvesheim – es gibt sinnvolle Alternativen“ dankt für die Einladung zur Präsentation von ersten Detail-Planungsergebnissen zur Radschnellverbindung am Neckarkanal in Ilvesheim. Wir senden Ihnen daraus ein erstes Statement der BI.
Die Entscheidung von Gemeindevertretern und Regierungspräsidium Karlsruhe (RPK) steht weiterhin fest – keine Abkehr von der Radschnellstraße am Neckarkanal – Detailplanungen schreiten voran!
Am 21.01.2021 erfolgte eine coronabedingte Online-Vorstellung des Projekts mit ersten Detailplanungen durch beteiligte VertreterInnen des Regierungspräsidiums Karlsruhe (RPK), in Anwesenheit von Verwaltungsleitung und Gemeindevertretern Ilvesheim, einigen Mitglieder der Bürgerinitiative und in Anwesenheit von Presse (MM und RNZ).
Bedauerlicherweise waren daher viele interessierte BürgerInnen ausgeschlossen. Schriftliche Unterlagen des RPK, aufgrund dessen die Vorstellung der Planung erfolgte (= Präsentation), wurden nicht freigegeben. Als Begründung wurde genannt, dass diese noch vorläufige Planung zu Verunsicherung von Bürgern führen könnte. Wir sehen durch diese Zurückhaltung von Infos eine faktenbasierte (wenn auch im Prozess befindliche) Diskussion innerhalb der Bürgerschaft vereitelt und der „Gerüchteküche“ Vorschub geleistet. Die Bürgerinitiative (BI) erhält immer noch unzählige Fragen von Bürgern zum Stand des Projekts. Da Verwaltungsspitze und Gemeindevertreter wie RPK betonen, in der Vergangenheit umfassend und ausreichend informiert zu haben, wird aktuell auch hier sicher eine Bürgerinformation zum aktuellen Stand dieser Planung zu erwarten sein. CDU, SPD und die GRÜNEN haben in „Ilvesheim informiert“, Ausgabe 4 v. 28.01.2021 die projektierte Radschnellverbindung mit wohlwollenden Worten kommentiert. Die BI hat den Planungsentwurf ausgewertet und kommt leider zu einem ganz anderen Ergebnis. Hier unsere Stellungnahme, aber zunächst noch einen Schritt zurück:
Was zeichnet eine Radschnellverbindung aus?
Direkt – schnell – sicher, so zeichnen sich Radschnellverbindungen aus. Das bedeutet in der Regel 4 Meter breite Straßen für RadfahrerInnen in hochwertigem Beton/Asphaltbelag, geringe Steigung, kreuzungsfrei und 2000-2500 RadfahrerInnen/Tag – das sind 3-4 pro Minute in Spitzenzeiten, angepasste Beleuchtung, wo nötig Absturzsicherungen durch Geländer und den klaren Vorrang von RadfahrerInnen vor anderen VerkehrsteilnehmerInnen (FußgängerInnen, körperlich eingeschränkte Personen, SportlerInnen etc.)
Was kostet eine Radschnellverbindung?
Für die Politik, in unserem Ländle insbesondere GRÜNE und CDU, sind Radschnellstraßen Vorzeigeprojekte mit einem hohen Prestigepotenzial in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels. Daher werden Planung und Ausbau von Bund und Land mit einer Gesamtförderquote bis zu 87,5 % gefördert. Die Kosten für die ganzjährige Unterhaltung der Strecke dürften zu Lasten der Gemeinde gehen. An sich ist das eine vernünftige Ausgangslage mit planbaren Kosten für die Gemeinde, oder?
Ja, und dann taucht die Frage auf: Sind Bedingungen an diese finanzielle Förderung geknüpft? Aber sicher doch! Es müssen zwingend bestimmte Standards für Radschnellverbindungen eingehalten werden müssen: Optimal sind 100%, mindestens jedoch 80%.
Und was bedeutet diese Planung für Ilvesheim und den Neckarkanal?
Das bedeutet für die Strecke am Neckarkanal laut RPK „voller Radschnellverbindungs-Standard auf nahezu gesamter Strecke“. Daher sei auch diese Strecke am Neckarkanal gewählt worden! Wunderbar, werden jetzt die begeisterten RadfahrerInnen denken, da habe ich doch eine schöne störungsfrei Radpiste zur Verfügung. Könnte besser nicht sein!
Wenn es da nicht ein großes ABER gäbe: Wo bleiben die Fußgänger?
Es gab laut RPK Fußgängerzählungen, um zu prüfen, ob überhaupt die Notwendigkeit bestünde, extra Gehwege, getrennt von der Radstraße, einzurichten. Drei Zählstände sind bekannt. Gezählt wurde zu den erwarteten Spitzenzeiten der Berufspendler morgens und nachmittags:
Hochhäuser: 35 Fußgänger – 25 RadfahrerInnen
Promenade: 22 Fußgänger – 19 RadfahrerInnen
Nach Feldbrücke in Richtung Ladenburg: 4 Fußgänger – 29 RadfahrerInnen
Die Wochentage bzw. Anzahl der Tage, an denen gezählt wurde sind derzeit nicht bekannt. Diese Informationen sind noch ausstehend, wir werden hierzu nachfragen.
Auf dem letztgenannten Zählabschnitt sind in der Regel kaum FußgängerInnen unterwegs, die meisten sind auf Ilvesheimer Gebiet zwischen Feldbrücke und der Feudenheimer Brücke unterwegs.
Provokant gefragt: Da hier mehr FußgängerInnen als RadfahrerInnen unterwegs sind, sollten die FußgängerInnen nicht einen entsprechend breiten Gehweg erhalten?
Das RPK bezieht sich darauf, dass die Zählungen nur eine geringen Fußgängerzahl ergeben habe, so, dass gesonderte Gehwege überwiegend rechtlich nicht zwingend vorgeschrieben seien. Kulanzweise habe man diese jedoch weitgehend vorgesehen. Ausnahmen bilden die einige Wege, insbesondere unter den Brücken. Genauer liest sich das so:
1. Entlang der Hochhäuser:
getrennter Rad- und Gehbereich (4 Meter / 2,50 Meter), der Gehweg verläuft direkt am Kanal (Geländer, neue Beleuchtung), daneben Radstraße, Spielplatz bleibt erhalten, Bäume sollen erhalten bleiben.
2. Hebelstraße:
Die Hebelstraße wird komplett zur Fahrradstraße, getrennter Gehweg (mindestens 1,90 Meter), Parkplätze entfallen.
3. Entlang Busunternehmen bis Inselbrücke:
Gemeinsamer Geh- und Radbereich von etwa 5 Metern, Eingriff in Privatfläche des Busunternehmens wird als erforderlich angesehen, um den großen alten Baum davor erhalten zu können, teilweise Versiegelung von Rasenfläche. .
4. Unter der Inselbrücke:
Gemeinsamer Geh- und Radbereich von ca. 3,25 Metern.
5. Promenade:
Radstraße mit 4 Meter Breite direkt an der Bebauungsgrenze, tiefer gelegter Gehweg am Kanal mit 2 Metern und einem Geländer zum Kanal, Treppe/Rampe zum Gehweg, Wegfall von den Bäumen, neue Baumpflanzungen sollen erfolgen, Sitzgelegenheiten sollen geschaffen werden.
6. Parkausgang Heinrich-Vetter-Stift:
Über eine Treppe und Rampe soll der Zugang zum Gehweg möglich sein. Das heißt, die SeniorInnen, die üblicherweise altersbedingte körperliche Einschränkungen haben (Sehen, Hören, Gehen, Reaktionsmodus verlangsamt etc.) und mit Rollatoren und anderen Hilfsmitteln unterwegs sind, müssen erst einmal nach den Radfahrern schauen, um dann möglichst unbeschadet und schnell über die Radstraße zu kommen.
7. Stettiner Straße:
Die Stettiner Straße wird zur Fahrradstraße, getrennter Gehweg mit 2,50 Metern Breite, Wegfall von Bäumen noch unklar, Wegfall von 8 bis 25 Parkplätzen, 17 Fahrzeuge können auf Grünflächen zwischen Bäumen parken. So können die Autos im Schatten stehen und die RadfahrerInnen im Schatten fahren! Fußgänger nutzen seit Jahren die wenig befahrene Straße entlang des Grünstreifens und der Bäume (insbesondere im Sommer) und kaum den vorhandenen Gehweg an den Grundstücken.
8. Ab Blindenbad Richtung Feldbrücke:
gemeinsamer Geh- und Radbereich von etwa 5 Metern, Zugang für Rettungsfahrzeuge/Boote bleibt erhalten, Böschung am Blindenbad bleibt bestehen, 1 Baum soll gefällt werden.
9. Unter der Feldbrücke:
Gemeinsamer Geh- und Radbereich von 4 Metern.
10. Dieselstraße:
Schaffung einer Fahrradstraße, getrennter Gehweg mit 2,50 Metern, Wegfall von 20 Parkplätzen, im weiteren Wegverlauf sollen getrennte Rad/-Gehwege geschaffen werden, Gehwegbreite ca. 1,50 Meter und ein Geländer, Eingriffe ins Biotop sollen minimiert werden.
11. Weiter Richtung Ladenburg:
Getrennter Rad- und Gehbereich, Gehwegbreite max. 1,50 Meter, die Bäume sollen werden gefällt werden, Ausgleich soll erfolgen.
Schöne neue Welt am Neckarkanal – oder eher nicht?
1. Vorrang Radschnellstraße, in jeder Hinsicht, nachgeordnet sind alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen.
2. Die vorgestellten Kompromisse zu den rechtlich nicht zwingend erforderlichen gesondert einzurichtenden Gehwegen belegen dies zudem.
3. Detaillierte Information der BürgerInnen von Ilvesheim über den derzeitigen Planungsstand werden der Presse und den Parteien im Gemeinderat überlassen.
4. Die Interessen von vielen BürgerInnen an einem gleichrangigen kombinierten Fußgänger-/Radweg (keiner vorrangigen RadSCHNELLverbindung!) am Neckarkanal werden weiterhin ignoriert.
5. Die Leitlinien der Gemeinde Ilvesheim und die bisherigen Ergebnisse des „Integriertes Gemeindeentwicklungskonzept“ für Ilvesheim widersprechen dieser geplanten Radschnellstraße am Neckarkanal eklatant, siehe: Entsiegelung, Wohnen am Fluss, Erhalt und Schaffung von Grün-/Freiflächen und Baumbeständen, Erhalt von Naherholungsgebieten, Generationen-treffpunkte im Grünen.
6. Zudem, und dabei am wichtigsten, sehen wir in der Gemeindeentwicklung für Ilvesheim- Nord einen erheblichen Rückschritt in eine Schlaf- und Wohngemeinde – mit geringem Erlebniswert. Bisher ist die Strecke am Neckarkanal nicht nur einfach ein Spazierweg am Wasser, was immer wieder wunderschön ist. Es ist viel mehr: Aufenthalt für alle Generationen, Familien, Kinder und SeniorInnen, SportlerInnen, Hunde samt BesitzerInnen und ja, auch RadfahrerInnen, meist rücksichtsvoll fahrend. Es ist ein Ort der Kommunikation und der Gemeinschaft.
Aber wie profitiert die Gemeinde von dieser Radschnellverbindung?
Wohin fährt denn die prognostizierte hohe Zahl der RadfahrerInnen? Machen sie hier Halt? Verweilen sie in Ilvesheim, essen oder trinken etwas in der nicht vorhandenen Gastronomie? Nein, sicher nicht! Ilvesheim wird ein Durchgangsort sein, ohne Bedeutung! Halten und verweilen werden sie in Mannheim, Ladenburg oder Heidelberg. Wenn sie nicht gleich über Seckenheim fahren, um im Bedarfsfall auf die Straßenbahn (Linie 5, Rundfahrt Mannheim-Heidelberg-Weinheim) umsteigen zu können.
Insgesamt gesehen wird die Lebensqualität in Ilvesheim am Neckarkanal deutlich reduziert. Für Ilvesheim Nord auf jeden Fall und das für die nächsten Jahrzehnte und Generationen.
Eine Aufwertung beinhalte der Bau dieser Strecke, so verlautbarten dies das RPK und Bürgermeister Metz. Auch die Parteien sehen in dieser Radschnellverbindung eine attraktive Verbesserung. Wir fragen für wen? Für den Durchfahrverkehr der RadfahrerInnen! Sonst sicherlich für niemanden.
Eingespart werden soll damit die für Ilvesheim anstehende Sanierung der Strecke am Neckarkanal. Doch zu welchen Kosten für die Bürger und Bürgerinnen von Ilvesheim?
Wir können uns nur wünschen, dass Ähnliches für die Insel Ilvesheim und das Flussufer am Neckar nicht passiert. Aber dort soll ja der Damm für Spaziergänger aufbereitet werden, die Alla-Hopp-Anlage ist auch da und vielleicht doch noch ein Kombibad? Schade, dass der Fokus auf die Lebensqualität nicht für das gesamte Ilvesheim zu gelten scheint.
Wie geht es weiter?
Die Verwaltungsspitze von Ilvesheim und das Regierungspräsidium haben, in enger Kooperation entschieden. Die Gemeinderäte, haben zugestimmt, nach unserer Kenntnis alle und nur wenige mit ‚Bauchschmerzen‘.
Unter den jetzt vorgestellten Bedingungen bewahrheiten sich unsere Befürchtungen. Eine Radschnellverbindung am Neckarkanal in Ilvesheim ist die schlechteste aller zur Verfügung stehenden Varianten gewesen und wird weiterhin ohne nachvollziehbare Argumente favorisiert.
Wir fordern alle EntscheidungsträgerInnen auf, diese Entscheidung zurückzunehmen.
Die erste Variante, die sogenannte blaue Strecke am Friedhof entlang, könnte als Alternative und Kompromiss gewählt werden:
Weniger Versiegelung, weniger Eingriffe in Baum-, Buschbestände und Grünbereiche, Radsicherheit am Feld durch prognostiziertes hohes Radaufkommen zu Spitzenzeiten und Beleuchtung (andere Schnellverbindungen in BW führen auch durch Feld und Wald), Erhalt des Naherholungsbereichs am Wasser am Neckarkanal, weniger Politikverdrossenheit etc.
Unzählige Fragen sind in der vorläufigen Detailplanung offen. Alles ist nach Angaben, zumindest noch, in Bewegung. Wir sammeln aktuell Fragen zur geplanten Radschnellstraße, z.B. zur Verkehrszählung, zum Vorrang des Radverkehrs, zur Freigabe von Privatgelände am Busgelände und für unseren herrlichen alten Baum dort. Gerne können Sie uns Ihre Fragen zukommen lassen (www.lebenswertes-ilvesheim.de) oder wenden Sie sich mit Ihrem Anliegen direkt an das Regierungspräsidium oder Ihre GemeindevertreterInnen.
Und – ganz wichtig, im März 2021 sind Landtagswahlen. Wir leben coronabedingt in wirtschaftlich hoch belasteten Zeiten. Die Auswirkungen des Klimawandels werden unsere Kinder und folgende Generationen zu tragen haben, da bedeutende Klimaziele zu spät gesetzt wurden/nicht ausreichend priorisiert werden. Die Schaffung von zu kurz gedachten Radschnellverbindungen wird daran nichts ändern. Steuergelder können daher für effektive Maßnahmen zur Klimastützung eingesetzt werden und weitere Infrastrukturmaßnahmen in Schulen, den Erhalt von Straßen und vielleicht eines Schwimmbades.
Für die Bürgerinitiative Ilvesheim
Elga Müller – Sonja Münch – Ruth Artmeier